Nachbericht zum Themenabend am 20.11. 2019, im Seminarraum der Sargfabrik

Impulsreferate von Tanja Tötzer (AIT – Austrian Institute of Technology) und Johannes Brossmann (plansinn)

Moderation: Wolfgang Gerlich (plansinn)

Foto (c) HF

Hitzeinseln in der Stadt als Folge der Klimakrise werden in den kommenden Jahrzehnten zunehmend zur Gesundheitsgefahr mit Todesfolgen. Beschattung durch Bäume sowie mehr Grün und Wasser im öffentlichen Raum bringen ersehnte Linderung. Eine deutliche hitzebremsende Wirkung kann nur durch umsetzen veränderter, genereller Planungs- und Gestaltungsprinzipien entstehen, sind sich Fachleute und Publikum einig. Den strategischen Rahmen für intensiveres Grün und Wasser gibt es in Wien bereits, in der alltäglichen Praxis bei Straßenumgestaltungen auf Bezirksebene finden diese Rahmensetzungen noch kaum Eingang. Kleine Einzelmaßnahmen, wie etwa ein Parklet, dienen in erster Linie dazu, den Straßenraum als Ort des Aufenthalts und der Begegnung zu begreifen und für das Thema zu sensibilisieren. Sie alleine haben keine ausreichend große stadtklimatische Wirkung. Eine generelle Vereinfachung von verwaltungstechnischen Abläufen und deutlich mehr Mut von Seiten der Politik wurde eingefordert, zumindest für Experimente, wie etwa das probeweise Aufstellen von Sitzgelegenheiten oder durch Anrainerinnen und Anrainer gepflegte Pflanztröge im Straßenraum.

Im Forschungsprojekt „lila4green“, das noch bis zum Jahr 2021 läuft, werden in zwei Wiener Grätzeln (Kreta-Viertel in Favoriten und Matznerviertel in Penzing) die Auswirkungen von Begrünungs- und Bewässerungsmaßnahmen im Straßenraum untersucht. Dabei sollen die gesetzten Maßnahmen in direkter Beteiligung mit der Bevölkerung und gemeinsam mit Studierenden der Technischen Universität Wien erarbeitet werden. Projektpartner sind neben dem AIT und Plansinn auch das Innovationslabor GrünStattGrau, GREX-Professionel-Makers, die TU Wien und Weatherpark. FFG und Klima- und Energie-Fonds unterstützen das Projekt finanziell.

In ihrem Impulsreferat beschreibt Tanja Tötzer vor knapp 40 Besucherinnen und Besuchern der Veranstaltung zuerst die Rahmenbedingungen für mehr Grün und Wasser im Straßenraum, die sich im Wesentlichen aus den besonders in Städten steigenden Temperaturen ergeben. So kann im dicht verbauten Gebiet über Beschattung durch Bäume die empfundene Temperatur (Strahlungstemperatur) um bis zu 17 Grad gegenüber den unbeschatteten Räumen gesenkt werden. Die Gesundheitsgefahr durch Hitze beweist sich inzwischen auch durch die steigende Anzahl an vorzeitigen Todesfällen durch Hitze. Anhand mehrere umgesetzter „Stadtoasen“ (Parklets) zeigt Tanja Tötzer auch die positiven sozialen Wirkungen von Beispielen der Rückeroberung des Straßenraums.


Konkret geht Tanja Tötzer dann auf die Entwicklung und Realisierung eines Parklets in Favoriten ein. Dabei zeigt sie anschaulich, wie einerseits über Straßenbefragungen und andererseits durch Kreativ-Workshops gemeinsam mit Studierenden ein Parklet entwickelt wurde. Dieses ist mit einem Wassertank ausgestattet und ermöglicht so die Bewässerung der Bepflanzung durch die Nutzenden des Parklets selbst. Vor allem Kinder sind sehr angetan von dem durch das Parklet gewonnen Platz, der etwa das Ausmaß von zwei abgestellten Pkw ausmachte.

(c) Klima-und Energiefonds/APA-Fotoservice/Tesarek

Präsentation von Tanja Tötzer

Foto (c) plansinn

Johannes Brossmann (plansinn) beschreibt in seiner Präsentation den Living-Lab-Ansatz. Ausgehend von Aktivierungsmaßnahmen im Straßenraum, bei denen Passantinnen und Passanten dazu bewegt wurden sich mit dem Thema Grün und Wasser im Straßenraum zu beschäftigten, fanden Workshops statt. Bei diesen wurden konkrete Maßnahmen direkt fürs Grätzl diskutiert und geplant. Johannes Brossmann resümiert, dass es durchaus unterschiedliche Gruppen von Personen waren, die sich im Straßenraum aktivieren ließen (aufsuchende Aktivierung) und die sich an den Workshops beteiligten. Beeindruckend ist, wie gut Bewohnerinnen und Bewohner die Straßenzüge danach klassifizieren können (mapping), ob diese aus Hitzegründen gemieden werden oder zum Aufenthalt einladen. Eine sehr gute Basis, um weitere Maßnahmen in den Workshops zu diskutieren. Dort waren dann auch übergeordnete Themen wie Stadtklima, Freiraumnutzung und Planungsprinzipien zur Stadtgestaltung Thema.

Präsentation von Johannes Brossmann

Foto (c) plansinn

Johannes Brossmann und Tanja Tötzer gehen abschließend auf ein augmented reality tool (AR) ein, mit dessen Hilfe die räumliche Wirkung von Straßenmobiliar simuliert werden kann.

Dabei werden mittels smartphone oder tablet über eine app die gewünschten Raumelemente (Parklet, Sitzgelegenheiten, Bepflanzungen etc.) fiktiv in den Straßenraum simuliert, sodass der Raum in seiner gewünschten Form erlebbar und begehbar wird. Dieses tool ist noch in der Entwicklungsphase und daher nicht für alle smartphones verfügbar. Doch selbst in dieser Experimentierphase konnten die in den Workshops diskutierten und gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern entwickelten Maßnahmen in ihrer Wirkung im Straßenraum simuliert werden und optimale Aufstellungsorte gefunden werde

Für das Jahr 2020 sind weitere Projekte geplant, wie etwa die Begrünung von Bus- und Straßenbahn-Haltestellen der Wiener Linien.

 

In der anschließenden Diskussion beim Themenabend „Grün und Wasser im Straßenraum“ kommt auch deutlich heraus, dass so kleine Einzelmaßnahmen, wie etwa ein Parklet, keine ausreichend große stadtklimatische Wirkung haben können. Der Nutzen dieser kleinen Maßnahmen liegt großteils darin, dass der Straßenraum wieder mehr als Ort des Aufenthalts und der Begegnung begriffen und genützt wird (beispielsweise durch Sitzgelegenheiten), statt nur zum Abstellen von Fahrzeugen. Eine deutliche hitzebremsende Wirkung kann nur durch veränderte generelle Planungs- und Gestaltungsprinzipien entstehen, sind sich die Fachleute einig. Dazu gibt es zwar bereits den strategischen Rahmen in der Stadt Wien (Stadtentwicklungsplan, Förderschienen für Begrünungsmaßnahmen, Pilotprojekte wie „Kühle Meile“ oder „50 grüne Häuser“), aber in der alltäglichen Umsetzung bei den laufend stattfindenden Straßenumgestaltungen auf Bezirksebene finden diese übergeordneten Rahmensetzungen trotz ihrer hohen generationenübergreifenden Bedeutung noch kaum Eingang.
Daraus entwickelte sich beim Themen-Abend auch eine angeregte Diskussion mit den anwesenden Vertreterinnen und Vertretern der Bezirkspolitik. Diese konnten gut nachvollziehbar beschreiben, dass Themen wie die Kühlung unserer Städte, die für nächste Generation möglicherweise überlebenswichtig sind, im Alltag der Bezirkspolitik noch kaum Platz finden bzw. nicht auf der Tagesordnung stehen. Deutlich mehr Mut von Seiten der Politik wurde eingefordert, zumindest für Experimente, wie etwa das probeweise Aufstellen von Sitzgelegenheiten oder von durch Anrainerinnen und Anrainer gepflegte Pflanztröge im Straßenraum. Eine generelle Vereinfachung von verwaltungstechnischen Abläufen wird gewünscht, was derzeit erst für einzelne Maßnahmen (beispielsweise „Grätzloase“) gegeben ist.