„Begegnung in der Goldschlagstraße – Belebung des Grätzls durch Gestaltung des öffentlichen Raums“

Am Freitag, 14. Juni 2019 fand im Rahmen von „Wir sind Wien – Festival der Bezirke“ als Teil des Straßenfestes „Brassmania“ der Sargfabrik eine Podiumsdiskussion statt. Das Motto: „Begegnung in der Goldschlagstraße“.

Podiumsdiskussion vor mehr als 150 Menschen

Nach 18.30 Uhr begann die Diskussionsrunde. Mehr als 150 Besucherinnen und Besucher aus allen Generationen und Bevölkerungsschichten informierten sich bei großer Hitze, aber guter Stimmung über den Projektstand zur Umsetzung einer Begegnungszone in der Goldschlagstraße. Das Interesse war ausgesprochen groß, die breite Zustimmung der Anwesenden zum Projekt war offensichtlich. In der Podiumsdiskussion wurde die Handlungsnotwendigkeit vor sich ändernden Bedingungen in der Stadt betont und die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges bestätigt.

Versorgt durch die Gastronomie der Kantine 14 begrüßt Helmut Hieß für die Diskussionsrunde Willi Nowak vom Lebenswerten Matznerviertel, Elisabeth Alexander von der für die Planung zuständige Abteilung Straßenverwaltung und Straßenbau, Martina Frühwirth von der Abteilung Architektur und Stadtgestaltung, Christoph Schuster, Büroleiter der Bezirksvorstehung Neubau sowie den Bezirksrat und stellvertretenden Leiter der Bezirksverkehrskommission Alejandro Peña und eröffnet die Diskussion mit einer ersten Fragenrunde.

Fragerunde ans Podium

Wir stehen in einem Straßenraum, der so bald der Vergangenheit angehört. Heute sind bis zu 80% dem Auto vorbehalten, in Zukunft schaut das wohl anders aus. Ist die zukünftige Goldschlagstraße ein gutes Beispiel?
Willi Nowak:

Nach Einführung des Parkpickerls waren die Straßen zu 2/3 wegen Wegfalls der Pendler leer und die Platzverschwendung und das Veränderungspotenzial spürbar. Nach wenigen Monaten waren die Flächen mit Anrainerautos allerdings wieder gefüllt, dafür die Garagen halb leer.

Das war die Basis für unser Interesse Vorschläge zu entwickeln zur Neugestaltung nicht nur der Goldschlagstraße, sondern gleich auch für das ganze Grätzl. Das Durchziehen der Baumstruktur von der Missindorfstraße bis zum Matznerpark war von Anfang an eine Vision des Lebenswerten Matznerviertels, zumal im Bebauungsplan der Stadt das auch vorgesehen ist. Vom Bezirk kam erst Widerstand, danach wurden mit Hilfe der Verwaltung Vorschläge entwickelt. Jetzt liegen nach fast 6 Jahren diese Pläne vor, nach positivem Ausgang der Befragung folgt die Umsetzung!

Starker Applaus

Es gibt ein kürzlich erstelltes Fachkonzept Mobilität der Stadt. Wichtige Ziele sind die Straße fair Teilen und die Umnutzung von Straßenflächen. Entspricht dieses Projekt diesem Fachkonzept, dem Zukunftsbild der Straßenräume in Wien?
Elisabeth Alexander:

Ja, es entspricht zusätzlich auch dem Fachkonzept öffentlicher Raum. Die Einbauten unter der Oberfläche werden oft zum Hindernis für eine Umsetzung, dass hier gar kein Baum auf dieser breiten Straße stehen sollte wäre schon verwunderlich. Die vorgeschlagene Lösung ist kreativ, der niveaugleiche Umbau macht den Raum zusätzlich wesentlich attraktiver.

Ein stückweises Bauen ist möglich, was es finanziell leichter macht. Die Visualisierung mit Möblierungen durch 3-D-Modell und Plakate macht das Projekt anschaulich. Die Ausstattung und Möblierung können nach dem Umbau auch schrittweise erfolgen.

Kühle Meile Zieglergasse. Wie wurde die große Zustimmung zur Umgestaltung möglich?
Christoph Schuster:

Die Zieglergasse geht quer durch den Bezirk, ist 1,2 km lang. Maßnahmen wurden vorwiegend im Gehsteigbereich geplant, aber auch auf der Straßenfläche. Insgesamt wird es 24 großkronige Bäume geben. In der engeren Zieglergasse ist es schwerer als hier für ausreichenden Wurzelraum zu sorgen.

Anlass für das Projekt war der erforderliche Wasserleitungstausch. Wir dachten uns, machen wir was Ordentliches draus. Eine Schutzverrohrung zur Ermöglichung der Bäume ist ebenso eingeplant wie zusätzliches Grün. Neue Sitzmöbel wurden mit der MA 19 entwickelt, von überwachsenen Pergolas beschattet, 32 zusätzliche Sitzplätze wird es geben.

Bei Verhandlungen mit den Behörden wären beim ersten Termin von 20 Bäumen nur 4 übriggeblieben, nach drei weiteren Besprechungen waren dann sogar 24 möglich.

Die Bäume wurden mit der Expertise der MA 42 – Stadtgartenamt ausgesucht. Das heiße Klima bedeutet für Bäume Stress, gute Rahmenbedingungen sind Voraussetzung für deren Überleben. Die Auswahl viel auf eine besonders widerstandsfähige Ulmenart, eine automatische, durch Außentemperatur gesteuerte unterirdische Bewässerung ist vorgesehen. Bei Neupflanzungen ist das bereits Standard in Wien.

Großzügige Gebäudebepflanzungen sollen zusätzliches Grün bringen, weiters sind Sprühnebelanlagen geplant.

Kühle Meile Zieglergasse (c)2019 ZOOMVP_MA19

Wie wurden die Anrainer eingebunden?

Durch Grätzlgespräche in den alten „Dörfern“. Das Feedback war sehr positiv. Nach aufwendiger Planung wurde diese an 3 Abenden vorgestellt. 80 % sahen die Vorschläge positiv. Alle Betriebe wurden besucht, Rücksicht auf Bedenken genommen, Anpassungen in den Plänen vorgenommen.

Angst vor Folgen der Reduktion der Stellplätze gab es auch bei uns, es werden 48 Autoplätze weniger. Aber nach dem Umbau bleibt immer noch eine sehr hohe Anzahl. Es gibt 427 Garagenstellplätze im Umkreis. 150 zusätzliche Radparkplätze werden errichtet.

Weitere Projekte sind in Planung, z.B. bei der U-Bahnbaustelle. Bei der Kreuzung Westbahnstraße fällt die Ampel weg, durch Aufdopplung entsteht hier ein neuer Platz.

Für Wasser für Mensch und Tier wird auch gesorgt.

Bis Ende des Jahres 2019 erfolgt die Umsetzung, die Kosten belaufen sich auf 2,4 Mio. Das ist für den Bezirk nur durch großzügige Kostenübernahmen durch die Stadt möglich.

Klimawandelanpassung ist ein großes Thema. Wie könnte der öffentliche Raum an veränderte Verhältnisse angepasst ausschauen?
Martina Frühwirth:

Dafür wurde ein Fachkonzept öffentlicher Raum erstellt. Unter anderem sind darin 10.000 zusätzliche Bäume, Bänke und Spielangebote vorgesehen.

Der Klimawandel wird drastisch, schon jetzt gibt es Klimatote. Hier sieht man noch wenige Klimaanlagen, das ist eventuell auch eine Einkommensfrage, es kann sich aber schnell ändern. Die Stadt möchte hier gegensteuern, durch umgestalten des Raumes zwischen den Gebäuden um auch ohne Klimagerät leben und überleben zu können.

Ein paar aktuelle Zahlen: Wien wird zukünftig unter den europäischen Städten neben Rom und Athen am meisten unter dem Klimawandel leiden, auch wegen dem Bevölkerungswachstum. Simulationen sagen, dass bis zum Jahr 2080 die Temperatur bis zu 4 Grad steigen wird, das bedeutet ein Klima wie heute in Senegal.

Die MA 19 freut sich über die eingeplanten Bäume hier, die Schratten bringen. Zusätzlich ist eine helle Farbe der Straßen-Oberflächen wichtig für die Reflexion des Sonnenlichts. Die Baumkronen beschatten die Oberflächen zusätzlich. Ohne sie wäre in der Nacht keine Abkühlung möglich wegen der hohen Abstrahlung. Ausreichend Wasser ist Grundvoraussetzung dafür, dass Bäume diese Leistung bringen können.

Eine große Möglichkeit ist die vorgesehene Begrünung der Fassaden in diesem Abschnitt, aber auch eine Herausforderung. Die Zustimmung der Hausbesitzer muss durch Überzeugungsarbeit erreicht werden. Es läuft ein Programm der Stadt zur Klärung offener Fragen wie Haftung, und Hindernisse wie Vorschriften. Im eigenen Referat ist auch das Thema Architektur und Stadtgestaltung beheimatet, eine Abklärung mit Fragen des Ensemble- und Denkmalschutzes muss erfolgen. Der Wirtschaftspark käme in Frage, die Sargfabrik ist eine Herausforderung. Bei Vollwärmeschutz-Fassaden sind zusätzliche Fragen zu klären. Die Gehsteige sind hier breit genug, es gibt super Möglichkeiten für einen Bodenanschluss. Als Ergebnisse einer Begrünung wurden bei Pilotversuchen Abkühlungen im zweistelligen Bereich festgestellt. Eine Umfrage beim Haus von Wiener Wasser hat hohe Zufriedenheit der NutzerInnen ergeben. Es gibt dort kein Problem mit Insekten und keine negativen Rückmeldungen.

Wie viele Stellplätze bleiben übrig, welche fallen weg, welche Konflikte werden befürchtet, wie hat der Bezirk das Projekt beurteilt, wie schauen die nächsten Schritte aus?
Alejandro Peña

Die Grünen wollten mehr Parkplätze weghaben, andere Fraktionen weniger, die SP liegt dazwischen. Die Entscheidungsstruktur im Bezirk ist schwierig wegen dem Stand 50:50 im Bezirksrat zwischen Rot/Grün und Schwarz/Blau. Viele Gespräche sind erforderlich vor einer Entscheidung und natürlich Kompromisse. Parkplätze sind ein Konfliktthema zwischen den Fraktionen. Es geht der SP ums Gestalten, nicht Verwalten.

Es gibt auch noch weitere Projekte, wie die geplante Umgestaltung des Zatzka Parks, die Märzstraße mit Übergang von der Schule zum Park und andere Abschnitte der Goldschlagstraße, die auch Geld kosten.

25% Teilnahme an einer Befragung ist generell ein sehr guter Rücklauf. Viele fragen sich aber, was ist mit den 75%, die nicht gestimmt haben? Es ist aber wie bei einer Wahl. Wer abstimmt, bestimmt. Weitere Schritte zur Umsetzung werden eingeleitet. Wie ist klar, wann genau ist noch offen, aber jedenfalls bald. Finanzierungsfragen sind noch zu klären, auch die Organisation des Radverkehrs.

3-D Modell der umgebauten Goldschlagstraße

Fragen aus dem Publikum und Antworten vom Podium:

  • Frage an Willi Nowak: Ergebnis ist ein Kompromiss, was wäre die Maximalvariante, wenn Wien zu Dakar/Senegal wird, was ist die Utopie?

Nowak: Was in der Goldschlagstraße sein wird ist keine Utopie, sondern ein neuer Standard für Straßen in Wohngebieten. In allen Wohngebieten sollten die hinderlichen Gehsteigkanten weg, nur dann ist öffentlicher Raum gestaltbar. Nowak ist fest überzeugt, dass die vielen Autos, die heute herumstehen, in Zukunft kaum mehr Bedeutung haben werden. Es wird eine völlig andere Situation sein, Autos werden in dieser Menge verschwunden sein. Bei jedem anstehenden Umbau einer Straße sollte die Chance genützt werden, neu zu gestalten. In 20-30 Jahren könnte dadurch die Stadt ganz anders aussehen. Sehr konkret: Wir, in unserem Alter werden die großen, schattenspendenden Baumkronen nicht mehr erleben. Wir machen das für die nächsten Geberationen, die sehr stark an den Folgen unseres heutigen Konsums leiden werden. Ziel ist es so zu gestalten, wie die nächste Generation das unter veränderten Verhältnissen braucht. Wenn überall solche Straßenabschnitte wie hier entstehen, dann wird eine Verkehrsberuhigung bald überall stattgefunden haben. Das ist jetzt ein Beitrag dafür, was im kleinen Bereich erzielt werden kann.

Schuster zu Utopie: Die Straßen sind jetzt eher dystopisch, also das Gegenteil einer Utopie. Meine Kinder fragen mich, warum noch nix gemacht wurde, auch in der Schule wird das diskutiert, Stichwort Fridays for Future. Meine Großmutter geht nicht mehr raus, weil es so heiß ist. Es betrifft aber auch andere, es ist auch ein soziales Thema. Geld: Wir haben eine gute Förderung ausverhandelt, Planungs- und Umweltressort der Stadt haben 80% beigetragen. Großes gesellschaftspolitisches Umdenken erforderlich. Werden Budgetfrage politisch anders lösen müssen, wenn wir nachhaltigen Erfolg haben möchten. Nur Ziele zu formulierten reicht jedenfalls nicht.

  • Ich wohne einen Kilometer weiter, beim Reinlpark. Was können wir machen, um auch so was wie hier zu kriegen, damit es schöner und kühler wird?

Nowak: Mehrere müssen sich zusammentun. Wir waren vom ersten Tag an nicht allein, sondern etwa 10 Personen und weiter gewachsen. Man trifft sich im Grätzl. Ideen formulieren, dann gemeinsam zum Bezirk gehen. Dran bleiben, nicht nachlassen. Ein langer Atem ist wichtig.

Peña: der Reinlpark ist für uns auch Thema. Park an Schule ran rücken. Die Kosten wirken limitierend, wie bei Wünschen ans Christkind. Potenziale sind auch in der Reinlgasse da. Problem ist, dass Autos woanders hinmüssen, die rücken dann weiter nach außen im Bezirk. Die neue Bezirksvorsteherin Michaela Schüchner ist eine junge Radfahrerin, hat einen anderen Zugang, muss aber auch den ganzen Bezirk im Auge behalten. Hier werden wir erst mit dem Hauptprojekt beginnen, dann kommen andere Teile wie Möblierung. Wissen, dass wir zum Klimawandel aktiv werden müssen, wir sind keine Leugner, können aber auch nicht zaubern. Ideen sind gefragt, einfließen lassen in die Bezirkspolitik. Ideen des Grätzls werden soweit es geht berücksichtigt.

  • Radstraße Goldschlagstraße durchgängig ermöglichen?

Peña: Auch andere Bereiche in Diskussion. Raum schaffen für Radfahren gegen die Einbahn in Planung

  • Sonderbudget für Bäume und Grün?

Frühwirth: Mittel wurden für Trogaktion wurden aufgestockt. Fürsorge für Pflege der Fassadenbegrünung durch Engagement der Hausbewohner ist erforderlich.

  • Autos fahren nur eine Stunde im Tag. Was passiert, damit nur notwendige Autos herumstehen, sie nehmen uns Lebensraum weg? Unterstützen von Sharingsystemen, damit Autos da sind, wenn sie tatsächlich gebraucht werden. Parkplätze sind wertvolle Flächen, besser nutzen, Bevölkerung unterstützen.

Schuster: im 7. Bezirk hervorragender öffentl. Verkehr, da stellt sich die Frage des Privatautos nicht so sehr, haben aber Verständnis für die Bedürfnisse.

Peña: Öff. Verkehr auch bei uns gut. Was passiert mit Autos, die jetzt dort stehen? Sie werden dann soweit es sie noch gibt wo anders geparkt, weiter am Stadtrand und bei Bedarf geholt. Das Problem wird nur verlagert.

  • Welche Bäume werden in de Zieglergasse gepflanzt? Radstraße Hasnerstraße funktioniert wegen nicht beruhigter Zufahrtsstraßen nur mäßig, Kastanien siechen dahin. Wie funktioniert Sprühnebel, wir groß ist der Energieverbrauch?

Schuster: Ulmen wurden ausgesucht als geeignetste Bäume. Energiefrage: Bögen mit minimalem Stromverbrauch, etwa 1 Badewanne Wasser pro Tag, Eine Intervallschaltung ist temperaturabhängig gesteuert. Gesamtkosten im Jahr etwa 3000 €. 4 Bögen als Pilotversuch, wird evaluiert.

Frühwirth: Kastanien sind nicht mehr passend. Nur mehr geeignete Bäume werden gepflanzt, angepasst an die Situation. Ginko sehr robust und schön, wegen Geruch der Früchte nicht geeignet.

Stark (Bezirksrat): Durchzugsverkehr überall ein Problem, die wollen alle nur schnell durch. Das sollte unattraktiv gemacht werden.

Abschlussrunde

Was wünschen Sie der Goldschlagstraße? Was ist Ihr Statement zur erwarteten Situation in Zukunft?

Peña: Projekt so schnell wie möglich in Angriff nehmen und über die Bühne bringen. Hoffen, dass der Umbau angenommen wird und die Nutzung sich wunschgemäß ändert. Ideen für Weiterentwicklung, damit öffentlicher Raum zukünftig anders genutzt wird.

Frühwirth: Dass sich das Projekt herumspricht, gut ankommt und Schule macht, erfolgreich verläuft und Lust auf zahlreiche weitere Projekte im Bezirk entsteht.

Schuster: Freut sich auf Eröffnungsfeier. Ein gesellschaftspolitisch Umdenken muss in allen Politikbereichen stattfinden. Unterschiedliche Meinungen sind immer möglich, auch die Bedürfnisse der Autofahrer sind real. Wir müssen miteinander im Gespräch bleiben, Begegnungsräume schaffen, damit wir auch in Zukunft gut leben.

Alexander: Bin jetzt zuversichtlich, dass es tatsächlich so umgesetzt wird. Finde gut, dass es jetzt geht nach langen Jahren der Hoffnung auf eine Umsetzung.

Nowak: Was früher Planungsgrundlagen waren, ist heute nicht mehr zeitgemäß. Begegnungszone muss zukünftig Standard sein im Wohngebiet. Alles andere soll zur Ausnahme werden. „Wer will findet Wege, wer nicht will, findet Gründe“

Dank an das Podium für die hohe Bereitschaft vor allem an Magistratsbedienstete und natürlich ans Publikum und die Organisation.