Kunst und Kultur genießen, etwas über die lokale Geschichte und aktuelle Entwicklungen erfahren – das können wir immer, wenn wir im öffentlichen Raum unterwegs sind. Als Einladung, bei den Alltags- oder Freizeitwegen die Stadtlandschaft, die Gebäude sowie bestimmte Details an den Fassaden bewusster wahrzunehmen und auch einmal vom kürzesten Weg abzuschweifen, ist diese Fotorätsel-Serie gedacht.

Fotorätsel M-09:

Wo befindet sich dieses Kunstwerk?

Für wen wurde es errichtet?

Herr Fritz L. schickte uns die richtige Antwort: „Das Grab von Dipl. Ing. Dr. Doris Schmidt (1954-2014) befindet sich auf dem Penzinger Friedhof an der Nordmauer.“

Herzliche Gratulation dem Gewinner des aktuellen Fotokalenders „Oberlichter“ des Künstlers Matthias Lutz!

Auflösung:

Friedhöfe in der Stadt sind alles andere als monofunktional – sie sind auch Lebensraum für Tiere, eine „grüne Lunge“ und Ort der Ruhe und Erholung für die Nachbarschaft, können aber ebenso als „Freilichtmuseum“ der Lokalgeschichte und sogar als Skulpturengarten betrachtet werden.

Der Penzinger Friedhof, heute umrahmt vom Matznerpark, ersetzt seit dem Jahr 1859 den alten Friedhof, der seit dem 13. Jh. die Pfarrkirche St. Jakob umgab. Auf dem barocken Hochaltarbild ist die Kirche samt Friedhof dargestellt, man sieht auch die gotische Lichtsäule (Totenleuchte), die heute noch vor der Kirche an der Einwanggasse steht.

Das enorme Bevölkerungswachstum durch die Industrieentwicklung, initiiert von Maria Theresia (die hier eine Seidenweberei ansiedelte) und vervielfacht durch die Kaiserin-Elisabeth-Westbahn machten eine Verlegung und Vergrößerung des Friedhofs notwendig. Lange Jahre gab es auch eine Kontroverse über die Umwandlung in einen Gemeindefriedhof – er ist Pfarrfriedhof geblieben und daher findet man Informationen nicht unter „Friedhöfe Wien“ , sondern auf einer eigenen Website „Pfarrfriedhof Penzing“ und in dem von Frau Dr. Silvia Petrin verfassten Friedhofsführer, den man bei der Friedhofsgärtnerei Floristeria kaufen kann.

Leider ist es mir nicht gelungen herauszufinden, wer die Gruft mit der blauen Glaspyramide (Nordmauer Gruppe 6, Reihe 4) gestaltet hat. Das Material Glas zu verwenden, das ja seit jeher für Zerbrechlichkeit und damit Vergänglichkeit steht, ist jedenfalls ein Kontrapunkt zu den steinernen Grabmälern, die „ewige“ Dauer symbolisieren sollen. (Dass sich Sandstein dafür schlecht eignet, sieht man hier an einigen Beispielen. In der melancholischten Form aber am alten St. Marxer Friedhof, wenn der Flieder blüht.) Heutzutage werden allerdings auch Glasarten produziert, die hohe Lasten tragen können – diese paradoxe Verbindung von Stärke und Transparenz macht Glas als „entmaterialisiertes Material“ für die zeitgenössische Architektur so attraktiv und könnte ein Motiv für die Verwendung bei diesem Grabmal sein.

Pyramiden für Grabmonumente sind seit den frühen Hochkulturen bekannt. Eines der schönsten Beispiele in Wien ist das Grabmal für Maria Christina in der Augustinerkirche, gestaltet von Antonio Canova. Ein interessantes Vorbild für die schlanke Glaspyramide – ein Mittelding zwischen Pyramide und Obelisk – gibt es hier am Penzinger Friedhof (Gruppe 1, Reihe 16, 5. Grab). Es wurde für Michael Freiherr von Kienmayer (1756-1828) noch auf dem alten Friedhof errichtet und dann hierher versetzt. Dieser war ein äußerst kühner und erfolgreicher Offizier, der es vom Kadetten zum General brachte und nach 52 Jahren Militärdienst im Ruhestand in seinem Bett starb.

Die Kienmayergasse ist allerdings nach seinem Großvater Johann Michael Kienmayer (1695-1782) benannt, der als Händler und Seidenfabrikant reich wurde und 1740 den Herrenbesitz Breitensee kaufte. Er stiftete 1745 ein Waisenhaus am Rennweg (Stichwort: Waisenhauskirche), später wurde er für seine Verdienste als Stadthauptmann geadelt. Sein Sohn (Johann Michael) Franz Kienmayer (1727-1792) machte eine Beamtenkarriere und wurde u.a. Direktor des Oberst‐Hofmeisteramtes und wirklicher kaiserlicher Hofrat. (Sehr lesenswert diese Quelle: Nicolaus Drimmel, Der eiserne Obelisk. Ein sprechendes Grabmal am Penzinger Friedhof, Vorabdruck aus Adler 4/2013).

 

Ein neues Fotorätsel finden Sie ebenfalls in diesem Newsletter – halten Sie bei Ihren Wegen in Penzing die Augen offen, es lohnt sich auf jeden Fall…

Als Rätselredakteurin freue ich mich auf viel Resonanz!

 

Mit herzlichen Grüßen,

Felicitas Konecny

P.S. Mehr zu meiner Person finden Sie hier: Verein Wiener Spaziergänge